Freitag, 13. Juni 2008

Kumpelei und Feigheit

Zeit ihres Lebens haben sie uns ihr Missbehagen an ihren Mitmenschen und den von ihnen gestalteten Umständen mehr oder weniger beredt mitgeteilt.
(Mit freundlicher Genehmigung von Propellerkuh)

Das sind unsere Herzeige-Österreicher, die mit denen sich Politiker umgeben und schmücken, als Kulturdiademe, Literaturrubine und Kunstsmaragde: Manfred Deix und der gestern verblichene Wolfgang Bauer. Jener wird in den Sommergesprächen interviewt, oder vielmehr: man lasst ihn verbal ausrinnen. Er wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert, wir dürfen uns miteinander Deixens Aufeinandertreffen mit Herrn Stadler, Karl Moik, Bischof Krenn und ähnlichen Vorlagen seiner Karikaturen anschauen. Und mit jedem ist plötzlich ein freundliches Auskommen möglich. Selbst der schärfstens verrissene, in der von ihm selbst definierten Substanz angegriffene Krenn ist auf einmal jovial und droht nur mit dem Zeigefinger: "Sie sind aber ein Schlaucherl," als ihm Deix eine Zeichnung mit pädophilen Priestern zeigt. Auch eine zweite Zeichnung lockt nur freundliches Gekumple hervor. Desgleichen gibt sich Deix freundlich verwundert und erfreut beinahe, daß Stadler, der große Recke, ihn mit Du anredet, ein Adelsprädikat gleichsam.

Also was jetzt, Deixloch, nimmst Dich nicht einmal mehr selbst ernst? Das war für mich und jeden, der vielleicht hinter Deinen Zumpflereien noch einen Anflug substantieller Kritik sehen konnte – und zu kritisieren gab's ja zuhauf – ein Verrat an Deiner Kritik. Du hast Dich mit deinem Feind verbrüdert und das ohne Wein. Oder bist Du schon dauerfett?

Und wie er Wolferl Bauer. Natürlich fragt man ihn – wie immer, das gehört sich so: man bedient Floskeln, die jeder bedienen kann aber keiner inhaltlich nachvollziehen mag – nach seiner Zeit des Bürgerschreckens.
"Sie wurden doch damals der Bürgerschreck genannt …" — da dehnt sich Wolgangs Backe und seine Rede — "Ich wollt' ja nie der Bürgerschreck sein, ich hab nur das Image bedient." So der Sinn seiner Abrede.

Gab's denn nichts zu schrecken? Gibt's denn nichts mehr? Worüber hast Du denn geschrieben, wohl gar ohne jemand schrecken zu wollen? Was soll der Rückzug? Ich sags Dir, Du verkommenes Gesicht: Du warst bequem geworden, Deine Sauferein haben Dir Deinen Blick verstiert. Und was mich nochmal stört: sie werden Dir einen guten Ruf nachschmeissen; die Bürger, die Du mal angepinkelt und gekotzt hast, denen graut vor sich selber genug, sodaß sie sich auf Deine Stelle stellen wie immer und Dir den toten Arsch mit Schmalz einreiben, damit sie Dir besser reinkriechen können. Totensalbung. Jetzt ist er ein Genie.

Der Schweizer Schriftstellerkollege Urs Widmer meinte einmal, dass er Bauers Leber nicht kennen lernen möchte. Zu seinem 60. Geburtstag meinte Bauer selbst, daß er diesen wider Erwarten feiere. Ich meinerseits möchte sagen, daß ich sein
Leben nicht kennen lernen möchte.

Der Tod des Autors Wolfgang Bauer
"... bringt eine der gewichtigsten Stimmen der österreichischen Nachkriegsliteratur zum Verstummen", so Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, "... Österreich hat am Freitag einen seiner profiliertesten Dramatiker und Poeten verloren. Wolfgang Bauer war kompromisslos in seiner Gesellschaftskritik", seine Werke "zeichnen sich durch große Sprachkraft aus, die viele auch irritiert hat", so Schüssel. Bauer sei ein "literarisches 'Kaliber'" gewesen und ein "Motor der literarischen Avantgarde in Österreich".

Was heisst hier komprommisslos? Wen kümmert's denn? Woher kommt denn jetzt das Lob? Ach, ist das schön, wenn man im Theater und auf der Kronenzeitungskarikaturseite so richtig eine reingesemmelt kriegt. Da gruselt's einem so schön vor sich selbst und dann geht's mit der eigenen Frau wieder auf einen Rutscher und des Büromauserl lasst sich geiler pudern. Und dann is alles wieder wie vorher. Geil, nix muss gschehn, wenn so Schweindln wie Deix und Bauer die Sauerein für einen selber machen.

Das scheint die Funktion von Kultur und im Kulturbereich agierenden Bürgerschrecken und (siehe oben) W.S.-Umständen zu sein: Ersatzbefriedigung.

Keine Kommentare: